Meine Jugendweihe 1973
Der große Tag rückte immer näher. In der Schule wurde das Gelöbnis geprobt. Diesen Akt
empfanden wir wohl alle eher als etwas belustigend. Bei der Feierstunde würde der Schuldirektor
ein paar schwer gewichtige Worte im sozialistischen Stil an uns richten. Darauf sprach die Klasse
dann im Chor: „Ja, das geloben wir.“ Offengestanden waren uns die Floskeln, die wir da
gelobten, ziemlich gleichgültig, aber wir bemühten uns alle um eine geschlossene Antwort,
wobei wir uns das Betonen des halleschen Dialekts nicht verkneifen konnten. Das wiederum
führte zu allseits freundlichen Gesichtern.
Gelöbnis zur Jugendweihe
Liebe junge Freunde!
Seid ihr bereit, als junge Bürger der Deutschen Demokratischen Republik mit uns gemeinsam, getreu der Verfassung, für die große und edle Sache des
Sozialismus zu arbeiten und zu kämpfen und das revolutionäre Erbe des Volkes in Ehren zu halten, so antwortet:
JA, DAS GELOBEN WIR
Seid ihr bereit, als treue Söhne und Töchter unseres Arbeiter- und Bauernstaates nach hoher Bildung und Kultur zu streben, Meister eures Faches zu
werden, unentwegt zu lernen und all euer Wissen und Können für die Verwirklichung unserer großen humanistischen Ideale einzusetzen, so antwortet:
JA, DAS GELOBEN WIR
Seid ihr bereit, als würdige Mitglieder der sozialistischen Gemeinschaft stets in kameradschaftlicher Zusammenarbeit, gegenseitiger Achtung und Hilfe
zu handeln und euren Weg zum persönlichen Glück immer mit dem Kampf für das Glück des Volkes zu vereinen, so antwortet:
JA, DAS GELOBEN WIR
Seid ihr bereit, als wahre Patrioten die feste Freundschaft mit der Sowjetunion weiter zu vertiefen, den Bruderbund mit den sozialistischen Ländern zu
stärken, im Geiste des proletarischen Internationalismus zu kämpfen, den Frieden zu schützen und den Sozialismus gegen jeden imperialistischen
Angriff zu verteidigen, so antwortet:
JA, DAS GELOBEN WIR
(Abschrift der „JUGENDWEIHE URKUNDE”)
Grundsätzlich halte ich es für gut und wichtig, dass jungen Leuten die Werte der Gesellschaftsordnung, in der sie leben,
eindringlich vermittelt werden. Die Aufnahme in die Reihen der Erwachsenen, wie die Jugendweihe stets umschrieben wurde, ist
dabei eine ideale Gelegenheit. Kehren jedoch bestimmte Schlagworte täglich wieder, verkümmern sie zu schlauwichtigen Phrasen,
die niemand mehr so recht ernst nehmen kann und will.
Das A und O in der DDR war das Organisieren und Improvisieren. Man konnte schließlich nicht
einfach einkaufen, was gerade nötig war. Man kaufte, wenn es gab. Und zu solch besonderen
Anlässen sollte es auch immer nur das Beste sein. Meine Eltern beschlossen, die privaten
Feierlichkeiten nicht in einer Gaststätte, sondern zu Hause stattfinden zu lassen. Räumlichkeiten
in einem angemessenen Restaurant zu finden, hätte weitere erschwerte Maßnahmen erfordert. In
jedem Frühling zur Zeit der Jugendweihen und zu Silvester waren die Restaurants ausgebucht.
Man hätte viele Monate im Voraus bestellen müssen, kräftig mit Trinkgeldern locken, einen
lukrativen Tausch anbieten, oder einfach einen sehr guten Bekannten in dem entsprechenden
Lokal haben müssen.