Bunt, lässig weit, praktisch und bequem; so stellt sich heute im allgemeinen die Kindermode dar. Das war aber nicht immer so. Unter dem Motto “wer schön sein will, muss leiden” wurde ich für besondere Anlässe “landfein” gemacht. Niedliches Kleidchen, weiße Strümpfe, Lackschuhe. Das, was ich jedoch unter das Kleid ziehen musste, war jedes Mal ein Alptraum. Ich wurde in ein kurzes Leibchen mit langen Bändern, an denen die Strümpfe befestigt wurden, gezwängt. Überall kniff und störte mich etwas. Beim aufrechten Gang zogen die dummen Bänder meinen Oberkörper regelrecht herunter. Alles saß eng und viel zu warm. Nur die Oberschenkel lagen bloß und da zog es unangenehm, wenn der Wind unter das Röckchen blies. Mit dem größten Widerwillen ließ ich mich so herausputzen. Eigentlich konnte ich mich schon sehr früh allein an- und ausziehen, aber bei dieser “Verkleidung” kam ich ohne fremde Hilfe nicht aus. So sah die abenteuerliche Konstruktion aus. Das Leibchen muss man sich wie eine  kurze Weste vorstellen. Mit Haken und Ösen wurde es zusammengehalten. Diese weißen Strümpfe mit dem raffinierten Faltenwurf, der eigentlich vermieden werden sollte, wurden von dem Leibchen mit einer Art Strapsen gehalten. Ich muss etwa 4 oder 5 Jahre alt gewesen sein. Ein besonderer Höhepunkt für mich war immer ein Einkaufsbummel durch die großen Kaufhäuser der Stadt. Meine Eltern nahmen mich dazu nur ungern mit, weil sich meinetwegen dieser Einkauf nur auf die Spielwarenabteilungen beschränken durfte. Doch ab und zu benötigte ich z. B. neue Schuhe. Die konnten mir meine Eltern nicht ohne Anprobieren kaufen. Darum mussten sie mich gezwungenermaßen mitnehmen. Für solche Anlässe wurde ich mal wieder “schön” gemacht. Einmal kauften meine Eltern u. a. auch ein neues Kaffeeservice. Ich erinnere mich noch gut an das braun- beige-gestreifte Keramikgeschirr. Typisch Anfang sechziger Jahre, hochmodern und schick, doch für den heutigen Geschmack in Form und Dekor …. Zu Hause wurden gleich alle Teile ausgepackt und stolz über die neue Errungenschaft auf dem Küchentisch zum Abwaschen bereitgestellt. Sah es nicht einfach herrlich aus? Unser Küchentisch war seinerzeit ein überaus wichtiges und vor allem praktisches Möbel. Klappte man die Hälfte der Tischplatte auf, erschienen 2 Schüsseln. Zog man das Vorderteil vor, konnte die Mutter darin das Geschirr abwaschen. Darunter befand sich noch ein Brett, das herausgeschoben werden konnte; eine ideale Abstellmöglichkeit und wegen seiner Höhe bestens als Kinderessplatz geeignet. Wir standen also voller Bewunderung vor unserem neuen Service, bis der Mutter einfiel, dass es doch an der Zeit wäre, mich von meiner unbehaglichen Kleidung zu befreien. Die Befestigung dieser dummen Leibchenbänder an den Strümpfen war so kompliziert, dass man sich fast die Finger dabei brach. Kinder von heute, seid froh, dass Ihr davon verschont bleibt! Um bequemer zu arbeiten, zog meine Mutter das untere Brett des Küchentisches hervor und stellte mich darauf. Da stand ich jedoch nicht lange, denn plötzlich kippte der ganze Tisch nach vorn. Meine Mutter konnte mich gerade noch auffangen. Krach, bum, schepper, klirr ... Von dem schönen Service blieb nur ein Scherbenhaufen. Entsetzt und traurig blickten wir auf das, was von dem kurzen Glück übriggeblieben war. Meine arme Mutter konnte noch nicht mal schimpfen, denn ihr war ja bewusst, dass sie selbst schuld an diesem Unglück hatte.