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So schrieb Theodor Storm im 19. Jahrhundert
über seine Heimatstadt. Ich kannte das Gedicht
aus meiner Schulzeit, aber mir fiel auch wieder
die melancholische Melodie ein. Als ich
seinerzeit in den Schulchor aufgenommen
wurde, war dieses Lied im Repertoire. Damals
dachte ich nicht darüber nach. Viel zu weit
entfernt war mir diese Stadt. Gab es sie wirklich
oder war sie nur Fiktion? Es war mir ehrlich
gesagt egal. Am allerwenigsten rechnete ich
damit, sie eines Tages tatsächlich
kennenzulernen. Ich musste an meine Mutter
denken. Sie hatte öfter davon erzählt, wie sie in
der Schule von der roten Erde im Mannsfelder
Land erfahren hat. Ihr ging es damals ebenso.
Nie hätte sie gedacht, irgendwann im Leben das
Mannsfelder Land kennenzulernen (noch dazu
so nahe ihres neuen Zuhauses) und sich davon
zu überzeugen, dass die Erde dort tatsächlich rot
ist. Da ich wusste, Theodor Storm neigt in seinen Schilderungen zur düsteren Dramatik,
konnte ich mir denken, dass die graue Stadt am Meer sicher nicht grauer ist, als jede
andere Stadt im Nebel oder bei Schmuddelwetter. Also schauen wir uns mal die Kreisstadt
Nordfrieslands an.
Bei unserer Ankunft war Ebbe. Wir parkten zentral und so stießen wir zunächst auf den
Husumer Binnenhafen, der uns leer angähnte. Ein paar Schiffe lagen auf dem Trockenen,
bzw. im Schlamm. Zugegeben, sowas wirkt ziemlich trist. Wenigstens ist abzusehen, dass
sich die Situation sehr bald ändern wird. Das Husumer Stadtzentrum ist durchaus
sehenswert und wie bereits vermutet gar nicht grau, sondern bunt und freundlich. Es gibt
ein Schloss mit einem hübschen Park, einen weitläufigen Marktplatz mit einem schönen
Rathaus. Auf Schritt und Tritt begegnet man dem berühmtesten Sohn der Stadt, Theodor
Storm. Die Husumer sind wohl wirklich sehr stolz auf ihn und zeigen das. Im ehemaligen
Wohnhaus von Theodor Storm ist jetzt ein Museum. Auch sein Geburtshaus steht noch.
Seltsam fand ich jedoch, wie Storm im Gedicht die Lage seiner Stadt beschreibt. Man
sollte meinen, sie liegt tatsächlich am offenen Meer. Tatsächlich konnte der Dichter von
keinem seiner Wohnhäuser die Nordsee sehen. Auch für die übrige Husumer Bevölkerung
ist das kaum möglich. Der Stadt direkt vorgelagert ist die Insel Nordstrand. Auch wenn
man sie heute auf einer festen Straße erreicht, ist sie doch eine Insel. Sie versperrt den
Husumern jegliche Sicht auf das Meer. Wir besuchten bei dieser Gelegenheit auch sie.
Zuvor bot sich am Binnenhafen ein ganz anderer Anblick. Das Becken war voll, denn
inzwischen hatte die Flut eingesetzt.
Und was war auf dieser kleinen Insel los? Wir fanden ein sauberes, aufgeräumtes, gepflegtes Eiland mit ein paar kleinen
Orten, ebenfalls sauber, aufgeräumt und gepflegt. Die Häuser waren ausnahmslos sauber, aufgeräumt und gepflegt. Ich kann
mich nur wiederholen. Nun liebe ich ja diese kühle Klarheit und Aufgeräumtheit des Nordens, aber irgendwann ist es auch
genug. Wir fuhren bis zum westlichsten Zipfel. Dort ist der Hafen für die Fähren nach Pellworm. Wie konnte es anders sein?
Auch hier war alles sauber, aufgeräumt und gepflegt. Wäre uns nicht gerade ein Schiff vor der Nase weggefahren, hätten wir
vielleicht auch noch einen Abstecher dorthin gemacht. So aber saßen wir eine Weile auf einer Bank, wo wir von einer
hungrigen Möwe beobachtet wurden. Wir hingegen schauten über die See, genossen die Luft und die Sicht in die weite Ferne.
Bevor wir die stille, beschauliche Insel verließen, stiegen wir noch auf einen Damm, von dem wir einen Blick über die Wiesen,
das Watt bis hinüber nach Husum hatten. Hinter uns stand eine alte Windmühle und vor uns grasten Schafe. Da ist man nun
willig, diese Tiere mal freundlich zu streicheln, doch was machen sie? Sie drehen uns ihre verdreckten Hinterteile zu suchen
das Weite. Dumme Tiere!
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