Noch am Tag unserer Anreise wollten wir uns die Umgebung etwas näher ansehen. Weil der Ort Hennstedt
doch recht klein und überschaubar ist, fuhren wir ein Stück weiter zum Eidersperrwerk, was uns bereits bei
unserer Ankunft vom Hausherrn empfohlen wurde. Was das Wetter betraf, so waren wir optimistisch.
Immer wieder begann es zu regnen und gewaltige dunkle Wolken ließen nur zeitweise kleine Lücken,
durch die die Sonne einen Strahl werfen konnte. Von der Eider wussten wir bisher nicht viel. Sie ist mit
188 km der längste Fluss Schleswig-Holsteins. Vor einiger Zeit sahen wir eine Dokumentation, in der uns
die Eider als idyllischer kleiner Flusslauf gezeigt wurde. Wir sind während unseres Urlaubs noch häufiger
an der Eider vorbeigekommen und dabei sahen wir, welch ein gewaltiges Delta sich entfaltet, bevor sie
dann bei Tönning über den Purrenstrom in die Nordsee mündet. Durch die bei Ebbe und Flut auftretenden
gewaltigen Strömungen hat sich das Flussbett der Eider sehr tief in den weichen Marschboden geschnitten.
So findet man vor allem in den scharfen Flusskurven Wassertiefen bis zu 20 m vor. Um uns ganz und gar
zu verwirren, gibt es eine Obere Eider und eine Alte Eider, die eigentlich gar kein durchgehender Fluss ist,
sondern von Seen unterbrochen wird und gewissermaßen neu entspringt. Wie gesagt, wir gingen davon
aus, die Eider sei ein harmloses, kleines, schmales, friedliches Flüsschen. Denkste Puppe! Natürlich gibt es
solche Abschnitte, doch gerade im Norden kann man sich von gigantischen Ausmaßen überzeugen.
Das Eidersperrwerk soll vor einer Sturmflut schützen. Während unseres Aufenthaltes waren wir zweimal
am Sperrwerk, einmal bei Flut und einmal bei Ebbe. Die Veränderung der gesamten Landschaft ist dabei
beachtlich. Bei unserem 1. Besuch war Ebbe. In der Ferne spreizte ein Kormoran sein Gefieder und in der
Nähe lag ein dicker Stamm auf einer Sandbank. Als sich der Stamm jedoch bewegte, wurden wir skeptisch.
Der Wirt des Aussichtspavillions erklärte, dort liegt ein Seehund. Es müsse sich um ein männliches Tier
handeln, weil nur die so einsam und allein herumliegen würden. Diese Sandbank war bei Flut nicht mehr
sichtbar und der Seehund über alle Berge ….oder Wellen. Diesen Aussichtspavillion können wir übrigens
nur weiter empfehlen. Es handelt sich um eine kleine Gastwirtschaft mit typisch norddeutscher Küche. Es
gibt einen Laden mit Produkten aus der Region und Souvenirs. Dem angeschlossen ist ein kleines Lokal.
Der Familienbetrieb der Familie Rohr funktioniert bestens und die Leute sind überaus nett und freundlich.
Die Preise sind günstig. Die Speisen frisch und lecker. Dort haben wir Bekanntschaft mit der „Toten
Tante“ gemacht. Ja, ich hatte zuvor schon davon gelesen. Es klang sehr gut, was da stand, auch wenn der
Name recht makaber anmutet. Wie es zu diesem Namen kam, weiß ich nicht. Das Getränk besteht aus süßer, heißer Schokolade,
einem ordentlichen Schuss Rum und wird gekrönt von einem dicken Klecks Schlagsahne. So viel Sünde auf einem Haufen – das
MUSS schmecken. Und das tat es auch. Übrigens verwendete man dort „Schimmelreiter Rum“. Da war also wieder die
Begegnung mit dem berühmten Novellen-Deichgraf. Beim 2. Besuch probierte ich den für Norddeutschland wahrscheinlich
etwas bekannteren Pharisäer. Hier wird statt Schokolade süßer Kaffee
verwendet. Doch auch wenn der Name „Tote Tante“ mir immer einen
Stich versetzt, ziehe ich dieses Getränk dem Pharisäer vor.
Das Sperrwerk ist ein imposanter Bau. Man kann auf der Krone
spazieren gehen. Dabei gab es noch eine Überraschung, auf die wir
zunächst durch einen Riesenlärm aufmerksam wurden. Möwen
kreisten über unsere Köpfe und als wir hinunter sahen, erblickten wir
Nist- und Brutplätze dieser Vögel. Bei noch genauerem Hinsehen
erkannten wir Küken, die dort überall herumwuselten. Sie waren
beinahe unsichtbar. Ihr Gefieder war dem steinigen, teilweise
bemoosten Untergrund wunderbar angepasst. Erst ihre Bewegungen
sensibilisierten unsere Augen. Die Kamera konnte sie leider nicht
wirklich deutlich einfangen. Wir standen lange dort oben und sahen
dem regen Treiben zu.
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