Besonders abenteuerlich wurde es, wollte man vor dem Spiegel ein elektrisches Gerät verwenden. Eine Dreifachverlängerungssteckdose aus dem Baumarkt, frei schwebend, war hierfür vorgesehen. Wie gesagt befanden wir uns in einem Feuchtraum. Und der war wirklich feucht, was der Schimmel in den Fugen der Duschkabine bewies. Wir mögen Feiglinge sein, aber so weit ging unsere Abenteuerlust nicht, als dass wir die Funktionalität dieser Steckdose probiert hätten. Gern probiert hätten wir dagegen, Türen zu schließen. Es war Fußballeuropameisterschaft, die nicht jeden interessiert. Wenn nun Klaus noch schauen möchte, ziehe ich mich lieber zurück. Ruhe gab es dann jedoch nicht, weil keine Tür in dieser Wohnung wirklich richtig geschlossen werden konnte, nicht mal die zur Toilette. Alle Türen waren alt, schlecht gestrichen und verzogen. „Die Wohnung ist komplett frisch renoviert“. So wurde sie beworben. Schlechter Fußboden, schlechte Türen, veraltete Elektrik…? Die Tapeten an der Wand waren noch nicht alt. Das stimmt. Als es Nacht wurde, wir die Abenteuer des Tages und die im Bad hinter uns lassen wollten, freuten wir uns aufs Bett. Über uns schwebte ein dicker Plüschmond mit dicker rosa Stoffpuppe. Im Schaukelstuhl daneben saß ein großer Teddybär. Puppen, Spielzeug allgemein waren in der gesamten Wohnung wichtige Dekorationselemente. Und weil es gerade so kuschelig war, kullerten wir auch schön nah zusammen in dem durchgelegenen Doppelbett. Was haben hier für Schwergewichte gelegen, wenn es diese Wohnung doch erst seit einem Jahr als Gästewohnung gab? Mich beschlich der Gedanke, unsere Vermieter haben ihre eigene Wohnung neu eingerichtet und was noch irgendwie brauchbar und zu schade zum Entsorgen war, wurde in der Ferienwohnung abgestellt. Man hat nur wenige Teile für die Ferienwohnung dazugekauft. Das meiste kam aus alten Beständen. Nichts passte tatsächlich richtig zusammen. Die bunten Bauernmöbel waren hübsch, schienen hier aber irgendwie deplatziert neben all dem anderen Zeug. Alle Lampen hatten bereits einige Jahre auf dem Buckel und kein Mensch braucht so viele Stehlampen. Wozu stellt man einen Fernsehwagen ohne Fernseher, dafür mit einem prachtvollen Schiffsmodell (leider kaputt und auffällig schlecht repariert) auf? Darunter lauerte ein alter Videorecorder ohne Videos und nicht angeschlossen auf eine eventuelle Wiederbelebung. Für viele hundert D-Mark hatte man sich einst eine monströse Stereoanlage mit Plattenspieler geleistet, die jetzt eine Seite des Wohnzimmers einnimmt. Funktioniert noch! Ist also noch gut für die Urlauber! Dazu schlummern Bonny M.  & Co in einer Truhe. Ein alter Hometrainer in einer Abstellnische, eine verwaiste Reisetasche im Vorraum … alles Dinge, die die Vermieter in ihrer Wohnung unten nicht mehr brauchten. Leider erst im Nachhinein fanden wir die private Homepage der Frau Radler, wo sie schreibt: „Hier habe ich in meinem Wohnhaus im Obergeschoß 2011, eine kuschelige Ferienwohnung neu ausgebaut und eingerichtet.“ Außerdem schreibt sie: „Die Ferienwohnung befindet sich im Obergeschoss, hat einen separaten Eingang und ist völlig neu renoviert. Sie ist sorgfältig und liebevoll eingerichtet. Wir haben und viele Gedanken gemacht, damit Sie sich wohlfühlen.“ Oh ja, man hat sich Gedanken gemacht, wie man Vorhandenes noch irgendwie gewinnbringend verwerten kann. Allein schon die dummen Flüchtigkeitsfehler hätten mich nachdenklich gemacht, wenn ich diese Seite vor unserer Reise gesehen hätte. Selbstverständlich bin auch ich nicht fehlerfrei, aber Texte, mit denen ich in der Öffentlichkeit werbe, müssen einfach perfekt sein. Man mag mich für pingelig halten, doch Kleinigkeiten dieser Art haben mir bisher immer den richtigen Weg gewiesen. Und was hier angepriesen wird, ist Heutzutage nichts Außergewöhnliches mehr, sondern allgemeiner Standard. Nach unserer Heimkehr bat mich „e-domizil“ um eine Bewertung. Ich brachte meine Unzufriedenheit deutlich zum Ausdruck. Meine Bewertung war fast so ausführlich wie an dieser Stelle. Ich wollte künftigen Reisenden die Enttäuschung ersparen, die uns ereilt hat. Für die Radlers könnte es natürlich spürbare Folgen haben, sofern sie sich nicht um eine angemessene Umgestaltung ihrer Beschreibung, besser aber noch um entsprechende Veränderungen in ihrer Ferienwohnung bemühen.
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