Das Wetter war viel zu schön, als dass man zu
Hause hocken sollte um Däumchen zu drehen.
So langsam verfärben sich die Blätter. Da
sieht ein Laubwald besonders schön aus. Wir
beschlossen ins Erzgebirge zu reisen. Es war
noch nicht lange her, als wir im Rahmen der
Sendereihe „Die Geschichte Mitteldeutschlands“ einen
Beitrag über den Stülpner Karl sahen. In Scharfenstein geboren, lebte er
von 1762 bis 1841 und ging als erzgebirgischer Soldat, Wildschütz und Schmuggler in die Geschichte
ein. Er galt als deutscher Robin Hood. Dieser Mann soll allein die Burg Scharfenstein eingenommen haben. So
ranken sich auch allerlei Legenden um ihn. In den 1970er Jahren wurde seine Geschichte von der DEFA mit
Manfred Krug in der Hauptrolle verfilmt. Nach der neuen Dokumentation wollten wir uns die Orte des
Geschehens genauer ansehen. Scharfenstein war uns aber noch in einem anderen Zusammenhang ein Begriff.
„DKK Scharfenstein“, so hieß es, wenn ein DDR-Bürger nach seinem Kühlschrank gefragt wurde. Der VEB
Kühl- und Kraftmaschinenhersteller war ein weltbekannter Exporteur.
Wir kamen also hin und sahen bereits aus der Ferne die Burg
über dem Ort thronen. Der Aufstieg war relativ kurz und
steil. Von oben eröffnete sich ein herrlicher Ausblick über
das Erzgebirge, wolkenloser Himmel,
strahlender Sonnenschein, teilweise
bunte Laubbäume und dazwischen
das Flüsschen Zschopau. Auf dem
Burggelände fühlten wir uns dann in
die DDR zurückversetzt. Wir hätten
uns gern auch das Innere der Burg
angesehen, doch am Kassenhäuschen
hing ein Schild. „Mittagspause“. Ja,
wenn man sich das leisten kann……
So streiften wir eben über den
Burghof, schauten von den Zinnen
übers Land und entschlossen uns schließlich
ebenfalls zu einer Mittagspause im
Burgrestaurant. Bei diesem Wetter zogen wir natürlich die Plätze unter freiem Himmel vor.
Die Speisekarte verhieß interessante Kreationen mit originellen bäuerlichen bis ritterlichen
Namen und deren Neben- und Nachwirkungen, je nach Genuss einzelner Zutaten. Man kann
sich denken, was dazu gesagt wurde, als wir uns für den Kardinalsteller entschieden, auf
dem Kassler, Klöße und Sauerkraut angeordnet waren. Die geschäftstüchtige Wirtin fragte
auch gleich noch, ob sie uns ein ….. bringen könnte. Leider habe ich die Vokabel vergessen.
Als wir nicht gleich verstanden, nannte sie noch weitere unverständliche Wörter, bis sie von
einem „Polster für den Arsch“ sprach. Da wussten wir, sie bot uns ein Stuhlkissen an. Nun
ist das mit der Sprache ja sowieso eine ganz komische Sache. Für meinen Geschmack ist der
Dialekt im Erzgebirge und benachbarten Vogtland der Übelste Deutschlands. Schon zu
DDR-Zeiten wurde man in der Vorweihnachtszeit mit deren Liedern gequält. „Arzgebirg,
wie bist du schie“. Man meinte wohl, dies sei das ostdeutsche Bayrisch (was ich jedoch auch
nicht schön finde). Aus „a“ wird „o“, aus „o“ wird „u“ und so gibt es da noch mehr
Verfehlungen, deren Logik sich mir nicht erschließen. Hinzu kommen noch allerhand ganz
eigene regionale Wortkreationen. Das Erzgebirge liegt in Sachsen, doch hat die Sprache mit
dem bekannten Sächsisch nicht viel Ähnlichkeit. Sächsisch klingt gemütlich, waaaisch, ein
bisschen schrullig. Erzgebirgisch ist sprachlicher Frevel, Schändung unserer schönen Muttersprache. Sie kennen doch die
„Randfichten“ und ihren Superhit vom Holzmichel. Leicht angeschickert lässt es sich dazu in netter Gesellschaft wunderbar
schunkeln. Und den Refrain singt jeder gern mit. Aber versteht jemand den Text der Strophen? Das ist Erzgebirgisch.
Manfred Krug