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Mein Kreislauf spielt mir oft Streiche. Ich würde mir sehr wünschen, dass mein Blutdruck stabiler und
gleichbleibender wäre. So könnte ich auch längerfristig planen und müsste nicht damit rechnen, dass von
einer Stunde zur nächsten die Werte extrem fallen.
So paradox es klingen mag; je höher mein Blutdruck, desto besser, stabiler und stärker fühle ich mich.
Die Morgentoilette ist fast täglich ein einziger Kraftakt. Manchmal ringe ich nach dem Duschen nur noch nach
Luft.
Hin und wieder schmerzen mir Rücken und Schulter, als müsse ich einen sehr schweren Sack schleppen. Dann
genügt es häufig nicht einmal, mich hinzusetzen. Linderung kommt nur durch Liegen.
Ich bin extrem geräuschempfindlich. Es stört mich, wenn man laut mit mir spricht, oder wenn die Musik zu
laut läuft. Es sind jedoch nicht nur die Geräusche, die mir zu schaffen machen. Allgemeine Unruhe,
hervorgerufen durch Stress und Hektik setzen mir sehr zu. So gerate ich z.B. im Einkaufscenter oder im
Wartesaal der Augenklinik in Panik. An das Gefühl, wie es bei einer Großveranstaltung wäre, mag ich gar
nicht denken. Die Zeiten der Konzert- und Theaterbesuche, der Mittelalterspektakel und Stadtfeste scheinen
vorbei zu sein.
Durch die Vielzahl unterschiedlichster Medikamente sind mir verstärkt die Haare ausgegangen. Meine
Gesichtshaut ist blasser als früher, was ich als vorteilhafter empfinde. Allerdings fühlt sie sich rauer an.
Seit Ende November habe ich es nun schwarz auf weiß: Ich bin keimfrei.
Mein Verstand und mein Gehör funktionieren gut. Ansonsten bin ich entfernt von dem, was man „gesund“ nennen
könnte. An Berufstätigkeit ist überhaupt nicht zu denken. Wie wäre es mir ohne die Hilfe meines Mannes
ergangen? Er hätte er es verdient, durch das Geld einer Pflegestufe ein wenig entlohnt zu werden. Was er für mich
getan hat, obwohl er selbst nicht gesund ist, ist eigentlich unbezahlbar.
Nichts ist mehr, als es mal war. Dabei wünsche ich mir doch einfach nur mein altes Leben zurück. Auch damals
war gesundheitlich nicht alles in bester Ordnung, aber es ließ sich noch recht gut damit leben. Ich gehöre nicht zu
denen, die wegen jedem Pickelchen zum Arzt laufen. Apotheken sind durch mich nicht reich geworden. Und jetzt?
Zu Anfang berichtete ich von meiner Empörung über die Unterstellung, ich sei depressiv. Inzwischen habe ich
tatsächlich viel von meinem Optimismus verloren. Dieses Leben ist für mich nicht mehr wirklich lebenswert. Nein,
ich bin nicht suizidgefährdet. Eine gewisse Todessehnsucht kommt jedoch hin und wieder auf, wenn ich mich
zeitweise besonders schlecht fühle. Wie wunderbar einfach ist es mit diesen Narkosen … Seltsamerweise ist das
jedoch gleich wieder vergessen, ja, sogar unvorstellbar, wenn es mir gut geht, oder wenn ein positives Ereignis
eintritt. Rückblickend muss ich jedoch bekennen, ich habe mich verändert, bin ernsthafter und nachdenklicher
geworden. Ja, ich würde mich sogar als menschenscheu bezeichnen. Ginge es nach mir, würde ich außerhalb
meiner Familie nur schriftliche Kontakte pflegen. Lesen und Schreiben; das waren mir in den letzten Jahren die
liebsten Dinge im Leben. Was bleibt aber, wenn mir Dank des Augenleidens sogar das genommen wird? Das
Krankenhaustagebuch möchte ich damit beenden. Ich hätte mir einen langfristig positiven Ausgang gewünscht. Die
Krankengeschichte könnte eine unendliche Geschichte werden, die erst mit meiner ganzen Person einen Abschluss
findet.
Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.
(Abbi Hübner)