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Wie ging es nach dem Krankenhaus weiter? Klaus kümmerte sich ganz rührend um mich. Er führte den Haushalt in Eigenregie und erledigte 1000 Kleinigkeiten für mich. Ich war nicht in der Lage viele eigentlich ganz selbstverständliche Tätigkeiten zu verrichten. So war ich froh, wenigstens allein und ohne Hilfe die Beine ins Bett zu heben und auch wieder aufzustehen. Den linken Arm konnte ich nur wenig und auch nur in einem bestimmten Winkel heben. Ich hatte sogar beim Essen mit Messer und Gabel Schwierigkeiten. Bereits einen Tag nach meiner Entlassung brachte jemand vom Sanitätshaus eine Toilettensitzerhöhung an. Das war eine überaus hilfreiche Sache. Ich lernte meine künftige Hausärztin kennen, die gemäß ihrer Bezeichnung tatsächlich zum Hausbesuch kam. Mein größtes Problem waren die Treppenstufen. Ich musste jedoch nochmals nach Dölau, wo mir die Klammern von der OP-Narbe entfernt wurden. Mit der Hilfe meines Mannes gelang dieser Weg. Gleichgewichtsstörungen waren an der Tagesordnung. Es meldete sich eine Gutachterin zum Bestimmen einer Pflegestufe an. Die kam auch, war nett und freundlich, vor allem laut … und lehnte den Antrag schließlich ab. Eines Tages juckten meine Augen und eine milchige Flüssigkeit trat aus. Einen Tag später hatte sich mein Sehvermögen dramatisch verändert. Im wahrsten Sinne des Wortes war das eine Sache von heute auf morgen. Alles war plötzlich dunkler und verschwommener. Mit Mühe fand ich eine Augenärztin, zu der ich kurzfristig kommen konnte und die ich mit einem Fahrstuhl erreichte. Die stieß in meinem Fall an ihre Grenzen und überwies mich direkt und am selben Tag nach Kröllwitz in die Augenklinik. Dort gab es andere Möglichkeiten als in einer normalen Augenarztpraxis. Weil ich das allein nicht vermochte, wurde Klaus für diesen Tag sogar krankgeschrieben. Da war ich also wieder in der Krankenhausstadt, wo man verschiedene Untersuchungen durchführte, jedoch zunächst nichts ändern konnte. Mir wurde dringend angeraten schnellstmöglich meinen Blutdruck zu senken. Ich maß nun dreimal täglich. Der Wert sank tatsächlich, doch insgesamt blieb er kaum konstant. Je nach Wetterlage war er sogar extrem tief, so dass ich zeitweise wie betrunken herumirrte. Um wieder beweglicher zu werden, kam die Physiotherapie zum Hausbesuch. Dabei wurde auch Treppensteigen geübt. Wirklich erfolgreich war die Lymphdrainage, die ebenfalls zu Hause fortgesetzt wurde. Dabei lernte ich eine sympathische junge Frau kennen, der ich für ihre Geduld und Mühe sehr dankbar bin. Ob mir jemals wieder Kaffee schmecken würde? Die Medikamente und Infusionen im Krankenhaus hatten dafür gesorgt, dass ich ständig einen bitteren Geschmack im Mund fühlte. Besonders deutlich machte der sich beim Genuss von Kaffee bemerkbar. Ich stieg deshalb um auf Tee.
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Und heute?  Das Jahr 2016 neigt sich dem Ende. Man sollte meinen, ich bin wieder vollständig genesen. Tatsächlich gab es zu keinem Zeitpunkt Probleme mit meiner Operationsnarbe. Ansonsten … Das Treppensteigen funktioniert wieder, allerdings nicht ohne Hilfe und nur mit Geländer. Genau wie beim Laufen auf der Straße benötige ich als Sicherheit eine Person bei mir. Meinen Mann und mich sieht man daher oft Hand in Hand gehen wie ein frisch verliebtes Paar. Die Toilettensitzerhöhung ist nach wie vor unverzichtbar. Auch sonst bereiten mir Sitzgelegenheiten ohne Armlehnen, auf die ich mich beim Aufstehen stützen könnte, Probleme. Meine Beine bis zum Knie und meine Hände sind fast taub. Mein Sehvermögen hat sich nicht gebessert. Ich lese keine Bücher mehr und in den Zeitungen nur die Überschriften. Zu meiner Überraschung sagte mir eine Augenärztin, ich könne mit dieser Sehkraft sogar Auto fahren. Dann bilde ich mir wohl ein, dass ich nichts sehe und darum oft wie ein blindes Huhn durch die Gegend tappe. Oh Menschheit, sei mir dankbar! Zur Vermeidung von Katastrophen setze ich mich nicht ans Lenkrad. Der Optiker konnte nicht viel für mich tun. Als kleine Hilfe bekomme ich nun eine neue Lesebrille. Ich bin extrem wetterfühlig. Mein Wärme- und Kälteempfinden hat sich verändert. Wo ich früher unter großer Hitze gestöhnt, regelrecht gelitten habe, empfinde ich das jetzt als Wohlfühltemperatur. Der Geschmackssinn hat sich normalisiert. Der Kaffee schmeckt wieder.
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