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„Hier werden Sie geholfen.“
„Haben Sie eine Pflegestufe?“. Ich wollte so wenig wie möglich die Hilfe anderer Leute beanspruchen, doch ließ es
sich nicht vermeiden, weil ich es allein nicht schaffte, meine Beine ins Bett zu heben. Gerade in den Beinen hatte
sich so viel Wasser angelagert, dass sie furchtbar schwer waren und ich mich trotz täglicher Physiotherapie nur mit
viel Mühe bewegen konnte. So schickte man mir eine Frau mit dem Auftrag, mit mir künftige Maßnahmen zu
besprechen. Nachdem ich in der eigenen Verwandtschaft erlebt hatte, was es bedeutete eine Pflegestufe zu
beanspruchen, dachte ich nicht mal entfernt an eine solche Möglichkeit in meinem Fall. Außerdem war ich doch viel
zu jung und würde mich ganz sicher bald richtig erholen. Die Frau füllte trotzdem einen Antrag mit mir aus, weil sie
durchaus der Meinung war, dies wäre sinnvoll. Falscher Stolz und falsche Bescheidenheit sind hier fehl am Platz.
Wir sprachen auch über mögliche Hilfsmittel, die mir den Alltag zu Hause erleichtern könnten.
Der Frühling hatte Einzug gehalten. Mein Krankenzimmer lag leider nicht in Richtung Park. Wenn ich aus dem
Fenster schaute, blickte ich auf einen Hof, auf den die Rettungswagen und Krankentransporte angefahren kamen und
wo sich die Raucher trafen. Weiter hinten sah ich den großen Parkplatz. Als einziges Krankenhaus in Halle durften
sowohl Personal als auch Besucher hier kostenlos parken. Aber dazwischen lagen kleinere Grünflächen, die um die
Osterzeit einen besonders hübschen Anblick boten. Sie waren gelb getupft. Hunderte Osterglocken entfalteten ihre
Pracht.
Bei jedem seiner Besuche, richtete mein Mann mir Grüße von Bekannten und Nachbarn aus, die er zufällig getroffen
hatte. Das freute mich. Trotzdem überraschte mich so viel Anteilnahme. Ich bin diesbezüglich eher zurückhaltend.
Um mich muss sich niemand scheren. Dann bin auch ich nicht verpflichtet, mich um andere Leute zu kümmern.
Dabei helfe ich gern, wenn ich kann. Ich bin auch durchaus interessiert am Wohlergehen netter Mitmenschen,
beanspruche jedoch kein Augenmerk auf meine Person. Besonders erfreuten mich die Briefe meiner direkten
Wohnungsnachbarin. Wir kennen uns seit über 30 Jahren, doch erst seit etwa einem Jahr war eine Freundschaft
gewachsen. Die Liebe zum geschriebenen Wort verbindet uns. Wir teilen noch manch andere Interessen und
Ansichten, doch ahnten so lange nichts davon. Den Briefwechsel im Krankenhaus empfand ich als sehr wohltuend
und eine wunderbare Abwechslung.
Während meines gesamten Krankenhausaufenthaltes gab es, glaube ich, nur 3 Tage, an denen mein Mann Klaus
mich nicht besuchte. Dafür gab es dann jeweils triftige Gründe. Immerhin arbeitete er im Schichtdienst und hatte
gerade jetzt u. a. viel zu tun mit der Wohnungsauflösung seiner
verstorbenen Mutter. Da gab es außerdem manchen Ärger und ich
fühlte mich so schlecht, weil ich ihm nicht helfen konnte. Ich bot ihm
an, sich mehr um seine eigenen Belange zu kümmern und nicht
täglich den weiten Weg quer durch die Stadt zu mir zu fahren. Er tat
es trotzdem. Natürlich wartete ich täglich und freute mich
entsprechend. Er kümmerte sich um meine Wäsche und erfüllte
möglichst meine kleinen Wünsche. Als Selbstverständlichkeit habe
ich das jedoch nie angesehen. Voller Dankbarkeit war und ist mir
bewusst, dass viele andere Patienten nicht annähernd so viel Glück
mit ihren Angehörigen haben.
Die Wasseransammlungen in Armen und Beinen behinderten mich
doch sehr. Nun schmerzte auch noch die rechte Schulter, obwohl dazu
eigentlich kein Grund bestand. Beim Ultraschall wurde jedoch eine
Thrombose festgestellt. Das bedeutete eine Spritze mehr pro Tag.
Mein Bauch, Arme und Oberschenkel schimmerten farbenfroh wie
Ölpfützen. Das tägliche Gepiekse machte mir jedoch nichts aus. Und
auch von dieser Thrombose bemerkte ich bald nichts mehr. Ohne zu
wissen, was Lymphdrainage eigentlich ist, wurde ich schließlich von
einer auf mich etwas eigentümlich wirkenden Frau behandelt.
Googelt man diesen Begriff, stößt man zunächst auf folgende
Definition:
Die Lymphdrainage ist eine angenehme Entstauungstherapie, bei der
durch sanfte Griffe, Druck- und Entspannungstechniken der Fluss der
Lymphe im Körper angeregt wird.
Mit anderen Worten: die Lymphe wird so angeregt, dass man gut
pullern kann und so das überschüssige Wasser aus dem Körper
getrieben wird.
Angesichts der zarten
Massage, wollte ich
zunächst nicht an eine Wirkung glauben. Umso positiv überraschter war
ich, als ich bereits am nächsten Tag einen deutlich schlankeren linken
Arm erblickte. Beim rechten Arm dauerte es etwas länger. Trotzdem
schwöre ich seitdem auf eine Therapie mit Lymphdrainage.