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Solche und solche
Es gibt Menschen, zu denen man mühelos sofort
eine gute Verbindung aufbauen kann, bei anderen
dauert es etwas länger und bei manchen funktioniert
es gar nicht. Die Drachenschwester hatte ein paar
freie Tage. Als sie wieder zum Dienst erschien,
verbesserte sich unser Verhältnis merklich.
Tatsächlich konnte man mit dieser Frau freundlich
reden. Sie scherzte sogar. Letzteres versuchte eine
andere Schwester ebenfalls, indem sie meinen
Mann zum Kuchenbacken aufforderte. Sie war nicht mehr ganz jung, aber sehr attraktiv. Und launisch! Ich
sollte meine Mahlzeiten unter allen Umständen auf einem Stuhl sitzend am Tisch einnehmen. Ja, das hätte ich
auch gern, doch kam ich ohne Hilfe nicht von diesem Stuhl hoch, und die Notklingel war weit weg. Also blieb
ich auf meiner Bettkante und aß vom ausgeklappten Nachtschrank. Der Schwester fehlte dafür jegliches
Verständnis. Sie ignorierte mich möglichst. Und ließ sich ein Zusammentreffen nicht vermeiden, war sie
extrem kurz angebunden. Von anderen Krankenhausmitarbeitern erfuhr ich, dass man diese Frau allgemein für
sehr „speziell“ hielt.
Zum Glück gab es aber auch andere. In Dölau hatte ich zwei Lieblingsschwestern. Die eine war ein richtiger
Wirbelwind, groß, blond, mit einer sehr erfrischenden Art. Eigentlich ist mir eine eher laute, hektische Art
nicht so angenehm, aber in diesem Fall war es genau das, was ich hier brauchte. Ihre Fröhlichkeit war
ansteckend. Sie war ebenfalls London-Fan. Als eines Abends eine Sendung über die Queen lief, wäre sie am
liebsten bei mir geblieben. Wir hatten ja sooo viel zu erzählen. Dazu hatte sie einen goldigen Humor. Man
konnte für kurze Zeit fast vergessen, dass man krank war. Eines Tages kam sie mit dem Vorschlag einen
Friseurtermin für mich zu organisieren. Es gab dort einen Friseur? Ja, das wäre super … und dringend nötig.
Tatsächlich konnte ich am nächsten Nachmittag meinen Mann mit einem ordentlichen Haarschnitt empfangen.
Es ist erstaunlich, was derartige Kleinigkeiten bedeuten können.
Die andere Schwester hatte ein etwas ruhigeres Wesen, war aber mindestens ebenso flink und umsichtig. Sie
musste täglich den weiten Weg von und nach Sangerhausen auf sich nehmen. So waren ihre Arbeitstage
besonders lang. Zu Hause warteten Haushalt und Familie. Leute wie sie haben meine größte Hochachtung. Ich
freute mich stets, wenn sie das Zimmer betrat, hatte sie doch manch nette Überraschung parat. Sie ermöglichte
mir eine komplette Dusche, die ich allein nicht vollziehen konnte. Meine Haare waren sehr gewachsen und
sahen ungewaschen ziemlich ungepflegt aus. Zu Hause wusch ich mir normalerweise täglich die Haare. Sie
kam mit einer Art Duschhaube und noch ehe ich genau wusste, was es mit diesem Ding auf sich hatte, bekam
ich es auf den Kopf, wo dann ordentlich gewuschelt wurde. Das war eine provisorische Haarwäsche.
Anschließend wurde sogar trockengefönt. Ich war begeistert. Die junge Frau selbst hatte eine kesse
Kurzhaarfrisur, die wunderbar zu ihrer Kopfform passte und um die ich sie sogar ein wenig
beneidete.
Und was nachts so alles passieren kann … Ich wurde wach und wollte zur Toilette, als es sich
am Hals irgendwie komisch anfühlte. Ein Blick auf das Kopfkissen zeigte mir einen
kreisrunden Blutfleck von etwa 20 cm Durchmesser. Ach du liebe Güte! Ich war furchtbar
erschrocken, konnte ich mir das doch nicht erklären. Zufällig hatte in dieser Nacht die nette
Schwester mit der Kurzhaarfrisur Dienst. Sie legte mich gewissermaßen sofort trocken.
Meinen ZVK hatte man von der linken Halsseite auf die rechte verlegt. Wahrscheinlich hatte ich mich im
Schlaf ungünstig bewegt, so dass die kleine Wunde auf der linken Seite aufgebrochen war. Es sah nun so aus,
als läge ich mit meinem Kopf in einer Blutlache. Erschreckend, aber zum Glück nicht weiter gefährlich.
Auch unter den Ärzten gab es solche und solche. Der Oberarzt war ein Slowake. Ich zweifle keinesfalls an
seiner Kompetenz. Was mich jedoch irritierte und verunsicherte: der Mann hat nie gelächelt. Dadurch wirkte
er eher unfreundlich, fast schon etwas überheblich und ich überlegte, ob das wohl an mir lag. Ich war mir
keiner Schuld bewusst, aber wer weiß … Am häufigsten bekam ich es mit einem etwas jüngeren Arzt zu tun,
der mich auch selbst operiert hatte. Er war ein sehr freundlicher, angenehmer Zeitgenosse. Sein wenn auch nur
wenig ausgeprägter Dialekt verriet seine Herkunft. Er war ein Münchner Kindl und nur vorübergehend in
Halle beschäftigt. Hier wollte er sich auf das Fachgebiet der Thorax Chirurgie spezialisieren, um später wieder
in München zu praktizieren. Ich fragte ihn, was denn der Oberarzt gegen mich haben könnte. Da meinte er
lachend: „Der ist immer so, auch zu mir. Machen Sie sich keine Gedanken. Das ist so seine Art.“ Und dann
kam es zu einem Ereignis, über das ich noch immer in albernes Gekicher ausbreche. Meine Blutwerte waren
nicht ganz optimal und es wurde entschieden, dass ich nochmals eine Blutkonserve bekomme. Dazu bereitete
der Münchner alles vor und ich selbst wurde ebenfalls in die richtige Position gebracht. Freundlich lächelnd
meinte er: „So, dann werde ich Sie jetzt mal flachlegen.“ Mein Bett samt mir sank in eine ebene Stellung und
ich musste mir tapfer verkneifen, gleich laut loszuprusten.
17.3.2016
nach der 1. OP