Екатерина II.
Die Zarin von Zerbst – Katharina die Große
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Alexander der Große, Karl der Große, Friedrich der Große ... Kriegsherren, Kaiser und Könige wurden aufgrund herausragender Leistungen „der Große“ genannt, doch nur einer einzigen Frau wurde dieser Titel verliehen; und das bereits zu ihren Lebzeiten: Zarin Katharina II.
Doch   wie   kam   ich   ausgerechnet   auf   diese   Frau?   Ich   gestehe,   zu   DDR- Zeiten   hörte   ich   von   einer   Zarin   mit   ganz   absonderlichen   sexuellen Vorlieben.   Ansonsten   wusste   ich   eigentlich   nichts   über   sie.   Ich   hatte das   Glück,   einen   Bekannten   in   einer   Buchhandlung   zu   haben,   bei dem    ich    die    Memoiren    in zwei    Bänden    von    Katharina der   Großen   erwerben   konnte. Die    Memoiren;    das    bedeute für    mich    die    Wahrheit    und nichts   als   die   Wahrheit.   Wo,   wenn   nicht   dort   hätte   ich   Genaueres erfahren   können?   Im   Nachhinein   muss   ich   sagen,   ich   quälte   mich mehr   oder   weniger   durch   ihre   Schilderungen.   Das   waren   die   Worte einer    verbitterten    Frau,    die    fern    ab    allen    Lebensglückes    über Probleme   und   vor   allem   Intrigen   am   Zarenhof   berichtete.   Voller Selbstgefälligkeit   schrieb   sie   über   ihre   eigene   Unfehlbarkeit,   über die     Missgunst     die     ihr     permanent     entgegenschlug     und     das Misstrauen,     das     sie     stets     begleitete.    Allerdings     brechen     ihre Aufzeichnungen    bereits    zwei    Jahre    vor    ihrer    Thronbesteigung plötzlich   ab.   Sie   war   gerade   30   Jahre   alt.   Sollte   sie   so   unglücklich   gewesen   sein,   dass   sie   bereits   mit   ihrem Leben   abrechnete?   Dass   sie   zu   diesem   Zeitpunkt   jedoch   tatsächlich   so   trübsinnig,   schwermütig   wirkte,   ist kein   Wunder   angesichts   ihrer   freudlosen   Kindheit   und   Jugend.   Niemand   konnte   ahnen   –   sie   selbst   vielleicht am   aller   wenigsten   -   dass   sie   ihr   Lebensziel   nun   sehr   bald   doch   noch   erreichen   würde.   Es   galt   viele   Hürden zu   überwinden,   aber   ihre   Anstrengungen   sollten   letztendlich   dennoch   belohnt   werden.   Später   sagte   sie einmal:   „Jedem   Widerstand   habe   ich   immer   meinen   Widerstand   entgegengesetzt.“   Ihre   Lebensgeschichte beeindruckte   mich   und   weckte   gleichzeitig   aber   auch   große   Bewunderung.   Ich   stellte   fest,   wie   indirekt naheliegend   –   im   wahrsten   Sinne   des Wortes   -   sie   mir   war.   Zarin   von   Russland   –   das   ist   so   fern,   ihre   Heimat ist jedoch ganz in der Nähe; der Familienstammsitz liegt in Zerbst, im schönen Sachsen-Anhalt.
Immer   wieder   hörte,   sah   und   las   ich   im   Laufe   der   Zeit   über   Katharina   die   Große.   So   wuchs   mein   Interesse. Vor   allem   wollte   ich   wenigstens   sehen,   wo   diese   Persönlichkeit   aufgewachsen   ist.   Immerhin   liegt   Zerbst   nur knapp   80   km   von   Halle   entfernt.   Es   dürfte   also   nicht   allzu   schwierig   sein,   sich   auf   eine   meiner   geliebten Zeitreisen   zu   begeben.   Doch   leichter   gesagt,   als   getan.   Der   erste   Versuch,   Zerbst   über   Landstraßen   zu erreichen,   scheiterte,   weil   das   nur   mit   einer   Fähre   möglich   gewesen   wäre.   Man   muss   wissen,   der   Ort   liegt nahe    Dessau    in    einer    sehr    hübschen   Auenlandschaft    zwischen    Mulde    und    Elbe.    Einige    Monate    später starteten   wir   einen   zweiten Versuch   und   erreichten   diesmal   Zerbst   mühelos   über   die   weitaus   unromantischere Autobahn.
Schloss Zerbst um 1861
Ostflügel des Schlosses Zerbst heute
Ein   herrlicher Tag   im   Mai   2018,   und   da   stand   ich   nun   auf   historischem   Boden,   vor   mir   die   traurige   Ruine   des Ostflügels    vom    Schloss    derer    von   Anhalt-Zerbst.   Am    Ende    des    Zweiten    Weltkrieges    wurde    das    einst dreiflügelige   Gebäude   durch   einen   amerikanischen   Bombenangriff   zerstört.   Das   war   also   seinerzeit   einmal die   größte   Schlossanlage   Mitteldeutschlands. Auch   wenn   die   gesamte   Innenausstattung   völlig   vernichtet   war, wäre   ein   Wiederaufbau   des   Gebäudes   möglich   gewesen.   Kunsthistorische   Argumente   zählten   nicht,   die DDR-Regierung   beschied   einen   kompletten Abbruch.   Einzig   der   Ostflügel   konnte   aufgrund   der   Initiative   des damaligen   Landeskonservators   gerettet   werden.   Angesichts   so   sinnloser   Zerstörungswut   standen   mir   die Tränen    in    den   Augen.    Mit    viel    Fantasie    lässt    sich    erahnen,    wie    es    hier    einmal    ausgesehen    hat.    Die umliegenden   Gebäude   wurden   teilweise   wieder   sehr   schön   restauriert   und   Baugeräte   zeugen   davon,   dass   nun auch   Mittel   zur   Verfügung   stehen,   um   den   Ostflügel   zu   rekonstruieren.   Momentan   sind   nur   wenige   Räume intakt. Der größte Teil des Gebäudes ist ansonsten eine Ruine.